Archive for the ‘Tagebuch’ Category

2020

Mittwoch, Dezember 30th, 2020

Ach schau an, das Jahr ist rum und hier ist nichts passiert. Okay, das stimmt nicht ganz, meine Werbelinks bringen mir immer noch Geld ein, obwohl es hier so still ist. Ich vermute, dass es die Belohnung für die viele Arbeit aus der Vergangenheit ist. Nehme ich.

Das Jahr 2020 fing mit großen Plänen an: Urlaub mit der Juniorette im Sommer, im Herbst 3 Wochen Hochzeitsreise, die üblichen Auswärtsfahrten in und um Hamburg mit Falke, bei der Arbeit tolle Projekte und dann wurde doch alles anders. Vor allem unerwartet viel Neues. Die erste Mannschaft vom HFC Falke hat im Kalenderjahr 2020 7 Pflichspiele ausgetragen. Das ist sehr wenig, wenn sich deine Freizeit um diesen Verein gestaltet. Sehr wenig. Das gesamte Vereinsleben stand still und mir wurde klar, wie sehr mein Leben dadurch ausgefüllt war. Mit anderen Mitglieder Fußball schauen, Themen rund um den Verein diskutieren oder einfach nur Döntjes schnacken. Das fiel alles weg. Digital haben wir was angeboten, ich habe auch am Anfang daran teilgenommen, aber das ist nichts für mich, macht mich eher fertig, als dass es mir gut tut. Zumal, wer mich kennt, wird das wissen, rede ich sehr gerne sehr viel und das ist in einem Video Chat nicht unbedingt vom Vorteil. Ich habe es noch ein paar Mal versucht, aber ich möchte das niemanden mehr antun.

Conora
Wo fange ich an? Ich habe von der ersten Sekunde an eine riesengroße Angst vor diesem Virus gehabt. In den ersten Wochen habe ich freiwillig das Haus nicht verlassen. Dabei ging es mir gar nicht darum, andere zu schützen, ich hatte einfach Angst. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits länger schon Probleme beim Atmen und Schmerzen in der Brust, ich wähnte mich also natürlich sofort in der Risikogruppe. Ich habe das Haus einfach nicht verlassen, niemanden besucht und selbst ein Treffen mit der Familie fiel mir sehr sehr schwer. Ich werde die fragenden Augen meiner Mutter nie vergessen, weil sie mir angesehen hat, dass ich sie jetzt einfach mal nicht umarmen kann. Wir wussten zu dem Zeitpunkt schon mehr, haben alle aufgepasst, aber ich habe es einfach nicht tun können. Es ging nicht. Ich hatte einfach Angst. Irrationale Angst, andere haben ja gezeigt, dass man sicher raus gehen kann, wenn man sich nur an die Vorgaben hält.
Es dauerte sehr lange, bis ich wieder unter Menschen ging, bis ich überhaupt nach draußen gegangen bin. Auch habe ich selten Familie und Freunde besucht oder mich besuchen lassen. Draußen war es okay, in der eigenen oder gar eine fremden Wohnung fühlte ich mich einfach nicht wohl.

Als die Zahlen dann besser wurden, wurde auch meine Angst weniger. Wie blöd eigentlich, der Virus war ja niemals ganz weg.

Die Pandemie hat mir einiges klar gemacht. Ich habe zum Beispiel aufgehört Tageszeitungen zu lesen. Wenn was Wichtiges passiert, werde ich das schon mitbekommen. Es ist nicht wichtig, immer sofort zu wissen, was überall auf der Welt passiert. Interessant ist es auch, wie viele Menschen plötzlich Virologen sind. Das war sehr faszinierend. Mein Ratschlag aber, wenn du kein Virologe bist: Halt die Backen!
Schwer zu ertragen sind Anweisungen, wie ich mich denn zu fühlen habe. Du hast nicht ansatzweise Ahnung, was in meinem Kopf oder meinem Herzen los ist, also halt deinen Rand!

„Woanders ist es schlimmer“ ist übrigens das neue „In Afrika verhungern die Kinder“. Wow.
Beides sehr richtig, hilft mir gerade aber so überhaupt nicht weiter.

Ich habe oft überlegt, wie ich mich mit 20 während der Pandemie verhalten hätte und ich kann euch versichern, dass ich mich nicht den Regeln konform in der Öffentlichkeit bewegt hätte. Wenn mir jemand sagt, ich darf etwas nicht tun, dann könnt ihr euch vorstellen, was ich dann getan habe. Genau. Das Gegenteil. Ist das immer richtig? Nein. Muss man deswegen die Moralkeule schwingen? Nö. Ich bin der festen Überzeugung, dass alle Moralapostel da draußen genug Dreck am Stecken haben.
Achja, Twitter ist und war während der Pandemie sehr schwer zu ertragen. Ich habe viel aussortiert.

Es gab wieder diese Tage, an denen die grauen Wolken nicht weg gehen wollten. Ob das durch Corona getriggert wurde oder eben einfach immer noch da ist und jedes fucking mal kommt, wann es will, weiß ich nicht.

Oma
Ich weiß gar nicht, ob ich hier oft von Oma geschrieben habe? In diesem Jahr ist Oma verstorben. Es ging dann sehr schnell, sie ist nach Angabe der Menschen vor Ort ohne Schmerzen einfach nicht mehr aufgewacht. Das klingt gut.
Ich war und bin sehr traurig, dass Oma nicht mehr da ist, aber Oma war schon sehr lange nicht mehr da. Die Demenz hatte sie dann immer mehr im Griff und meine täglichen Besuche waren nur noch selten so erfüllend, wie sie es früher waren. Es gab Jahre, da war ich im Grunde jeden Tag bei Oma. Ich wohne ja um die Ecke, auf dem Weg nach Hause noch kurz vorbei schauen war tägliche Routine.

Bei Oma war es immer egal, wen wir mitgebracht haben. Sie hat jeden Menschen akzeptiert so wie er ist. Sie hat aber schnell erkannt, welcher Mensch gut oder schlecht für einen ist. Und was soll ich sagen, sie hatte immer recht. Immer.

Oma hat immer erst an alle anderen gedacht, bevor sie an sich gedacht hat. Und das mit voller Hingabe. Die Geschichten aus der „schlechten Zeit“ sprechen da Bände. Wir haben am Ende, bevor sie zu dement wurde, viel drüber geredet. Über den Krieg und das von ihr erlebte. Ich bin sicher, sie hat mir nur die Hälfte erzählt, was vollkommen in Ordnung ist. Ich hätte vermutlich mehr als die Hälfte nicht ertragen. Ich erinnere mich, wie sie mal der Juniorette versucht hat zu erklären, dass sie nichts mehr hatte, weil ihr Haus ausgebombt wurde. Ich kann mir das nicht mal ansatzweise vorstellen, für die Juniorette war es vermutlich eine Geschichte aus der weiten Ferne.

Eine meiner liebsten Geschichte: Sie hat ihre Oma und Opa damals zur Wahl begleitet und wollte danach natürlich wissen, was denn gewählt wurde. Die Großeltern wollten das in der Öffentlichkeit nicht äußern, ich vermute, sie hatten nicht die NSDAP gewählt. Auch auf Drängen haben sie es nicht erzählt, was Oma zu der lauten Aussage „Scheiß Hitler“ verleiten ließ. Das Ende war, dass sie sehr schnell vom Wahllokal weg gezerrt wurde, damit das ja niemand hört.

Oma war aber am Ende dement. Die Geschichten wiederholten sich, ich erzähle immer noch gerne, dass sie mich alle 5 Minuten gefragt hat, wo denn ihre Zähne seien. Die waren gerade zur Reparatur beim Zahnarzt, was ich dann auch erklärte. Nach 5 Minuten stellte sie die Frage dann erneut. Und so weiter.

Als Oma dann ins Altersheim ging, war Oma für mich schon lange nicht mehr Oma. Ich habe sie dort nie angerufen, weil ich nicht wusste, was ich hätte fragen sollen. Ja, ich hätte einfach nur zuhören sollen, ich werfe mir das schon selbst oft genug vor, aber ich wollte die Erinnerung an meine Oma behalten.

Trotz Corona sind wir dann nach Franken zur Beerdigung gefahren. Es war nur im engsten Kreis, Familie und nicht mehr. Oma wollte das so. Wir waren in einem Ruheforst. Oma hat sich ihren Baum selber noch ausgesucht und was soll ich sagen: Es ist der tollste Baum der Welt. Er steht für alles, was meine Oma für mich war. Ich vermisse sie sehr. Manchmal sogar mehr als meinen Vater, weil sie öfter für mich da war. Oma war immer für mich da.

Ich liebe Dich Oma.

Basti und Axel
Saskia und ich wollten eigentlich dieses Jahr unsere Hochzeitsreise machen. Ein paar Wochen USA, mit Baseball, Cabrio und mindestens eine Woche Erholung in San Diego. Gut, dass war dann irgendwann aus der Welt, da ans Reisen nicht mehr zu denken war. Also planten wir ein verlängertes Wochenende in München. Von dort kommt man schnell in meine geliebten Berge und wir kennen dort viele Menschen. Gut, treffen hätten wir die Menschen dann vermutlich nicht können, am Ende war in München die Inzidenzzahl und die entsprechenden Maßnahmen zu hoch, so dass wir uns dagegen entschieden.

Dann verkündete Wett Brötchen, dass es in Frankfurt ein Hörertreffen geben wird. Draußen, mit Abstand und den Regeln in Frankfurt entsprechend. Saskia und ich haben nicht lange überlegt, buchten einen Zug und das Hotel und sind am Samstag morgen los nach Frankfurt. Dort haben wir wie Touristen am Römer Schnitzel mit grüner Soße gegessen und ein paar Äppler getrunken. Der tolle Tag wurde mit dem Weg zum Hörertreffen gekrönt. Wir waren viel zu früh und haben noch ein bis drei Wegbier zu uns genommen. Da wir die Location nicht genau kannten, versuchten wir uns so zu nähern, dass weder Axel noch Basti uns schon vom Weiten hätte entdecken können.

Der Blick von den Beiden, als wir plötzlich auf dem Platz standen hat die Reise abgerundet. Es war ein so toller Abend, weil sowohl Saskia und ich die beiden einfach zu gerne mögen. Tolle Gespräche, endlich wieder Menschen, das hat uns beiden sehr sehr gut getan. Was das Internet so alles macht. Ohne Twitter würde ich weder Basti noch Axel kennen. Danke für das Treffen Jungs! Und danke an alle Menschen, mit denen ich sprechen durfte!

Das Wochenende hat mir und auch Saskia echt gut getan. Mal wieder unter Menschen sein, miteinander lachen und quatschen. Dazu noch der Moment der Überraschung. Alles sehr gelungen. Davon muss es bald wieder mehr geben. Alkoholschwer sind wir dann ins Hotel, seelig grinsend.

SPO
Wohin mit seinem Urlaub, wenn man nicht reisen darf? Miri hatte da eine Idee: „Kommt doch einfach an meinem Geburtstag in St. Peter Ording vorbei“. Gesagt, getan. Wir suchten eine Ferienwohnung direkt bei ihrer Ferienwohnung um die Ecke, aber die wollten mehr Geld für die 4 Nächte, als ich bereit bin zu bezahlen. Doof, wenn man zu spät bucht und nur noch die Reste bekommt. Wir fanden dann eine Wohnung 20 Minuten Fußweg von der Party entfernt, mit WLAN und allem drum und dran. Nun, das alles fanden wir nicht vor. Erstens war es eine andere Wohnung als gebucht, was wir erst nach einem Anruf beim Vermieter erfahren haben und dann war das WLAN das vom Nachbarn, welches wir auch erst auf Nachfrage bekamen.

Nun mag es einige geben, die sagen „Hey, du bist im Urlaub, wozu brauchst du WLAN?“
Eine gute Frage, wir hatten zwei Wohnungen zur Auswahl bei der Buchung: Eine mit und eine ohne WLAN. beide im gleichen Umfeld. Mit WLAN war nur ein paar Euro teurer, also sagten wir uns, dass wir dann eben mit WLAN buchen. Wenn man dafür bezahlt und dann keine Leistung bekommt, ist das einfach ärgerlich. Wir hatten das Gefühl, dass der Vermieter sich nicht bemüht hat. Das ist ärgerlich, wenn es dann auch noch dein einziger Urlaub in dem Jahr ist.

In diesem Urlaub sind wir keinen Tag unter 15000 Schritten ins Bett gegangen. Das war schön. Wir haben viel Fisch gegessen, haben uns mal Zeit für uns Zwei genommen. Obwohl wir beide im Homeoffice sitzen und uns jeden Tag sehen, sind wir dann doch eher froh, wenn wir mal nicht beisammen sind. Zu Hause ist es dann eben was anderes. St. Peter Ording hat uns den Kopf frei gepustet.

Rücken
Ihr seht, es ist kein chronologischer Rückblick. Zu Beginn des Corona Lockdowns im März habe ich mir erneut einen Hexenschuß zugezogen. Ich kenne das, heile das in der Regel selber mit Ruhe und Tabletten, Homeoffice wurde halt ins Bett verlegt, ich musste mich nicht krank schreiben lassen. Die Pandemie hat seine Vorteile, oder wie man es nimmt.
Es musste aber mal langfristig was getan werden. So geht es ja nicht weiter. Ich habe mir einem Physiotherapeuten gesucht, direkt hier um die Ecke. Aus familiärer Empfehlung quasi, Saskia war da zur Reha.

Es war die beste Entscheidung in 2020 dort hinzugehen. Ich habe sehr schnell wieder vertrauen in meinen Rücken gewonnen. Ich erinnere mich noch an eine Übung, da sollte ich eine 8 kg Kettle Hantel vom Boden aufheben. Ich guckte meinen Trainer an und war fassungslos. Das letzte Mal, dass ich was vom Boden aufgehoben habe, muss so vor 30 Jahren gewesen sein. Die Übung war aber so gut, dass ich am Ende diese verdammte Hantel vom Boden aufgehoben und wieder zurück stellen konnte. Das war ein Gefühl! Ich war so stolz auf mich, zu was ich fähig war. Ich bin meinem Trainer so dankbar dafür. Die nächsten Wochen tasteten wir uns immer weiter voran, es war plötzlich selbstverständlich, dass ich eine 8 kg Hantel vom Boden aufhebe. Ich kann jetzt etwas fallen lassen und es wieder aufheben.

Dummerweise war im zweiten Lockdown ein privates Training nicht mehr möglich, so harre ich der Dinge, bis es weiter geht, denn ich zahle es aus eigener Tasche und werde das auch weiterhin tun. So beweglich wie jetzt (also nicht jetzt gerade, durch den Lockdown bewege ich mich einfach weniger) war ich schon seit Jahrzehnten nicht.

Es war also nicht alles schlecht.

Vergangenheits-Florian
Auch das war gut im Jahr 2020, der Vergangenheits-Florian ist jetzt wirklich in der Vergangenheit und hat keine Auswirkung auf Gegenwart oder Zukunft. Auch das war gut in 2020.

Sarkoidose
Der Moment, als der Arzt mir sagte, ich sei unheilbar krank war schon sehr krass. Es kam natürlich auch gleich die Erklärung, dass ich daran nicht sterben werde, aber es war schon ein sehr merkwürdiges Gefühl.

Zur Vorgeschichte: Seit 2 Jahren bin ich arg kurzatmig und habe immer mal wieder Schmerzen in der Brust gehabt und Stechen im Herzen. Ich dachte, dass es an meinem Übergewicht liegt, hatte ich Anfang des Jahres noch 115 kg auf der Waage. Also fing ich an, weniger zu Essen, verzichtete auf Alkohol in der Woche und ernährte mich insgesamt gesünder. Das half, aktuell habe ich 97 kg auf den Rippen. Die Schmerzen drumherum blieben also. Nachdem ich das meiner Frau gebeichtet hatte (Ein Neumann geht nicht zum Arzt, wenn er das nämlich tut, dann hat er auch was) hat sie mit Miri zusammen auf mich eingeredet, dass ich einen Termin bei einem Pneumologen und einem Kardiologen machen soll. Ich höre auf die beiden, die sind eh ein Traumduo. Also habe ich alles einmal checken lassen. Lungenfunktionstest, EKG, dann sogar ein Belastungs EKG. Als dort nichts gefunden wurde, wurde ein Lungen CT gemacht. Die Diagnose: Sarkoidose. Wie oben beschrieben, es ist nicht tödlich, aber es gibt auch keine Heilung. Alles sehr komisch. Die Diagnose hat meinen Kopf natürlich noch weniger ruhen lassen. Denn wie oben beschrieben: Ich werde niemals wieder zum Arzt gehen, die finden ja was! Aber, es gibt meistens ein aber, es hat auch eine gute Seite: Ich weiß was los ist. Wenn ich huste wie so ein Kettenraucher, dann ist das eben so. Beide Ärzte bestätigten mir, dass alle Funktionen ok sind, wir müssen jetzt halt beobachten. Das schaffe ich.

Achja, wenn ich nicht an der Krankheit sterbe, dann wird mich meine Frau umbringen, denn natürlich spiele ich die „unheilbar krank“ Karte sehr häufig.

dunkle Wolken
Ja, das wird dann 2021 angegangen. Der Körper ist auf dem Weg der Besserung, nun muss alles andere weitergehen, besser werden. Aber zum Glück ist es noch lange hin bis 2021.

Abschluss
Das Jahr war sehr anstrengend. Es hat an meiner geistigen und körperlichen Verfassung gezehrt.

Meiner Familie geht es gut. Die Juniorette entwickelt sich toll, ich habe das große Glück mit der perfekten Frau verheiratet zu sein und bis auf ein paar altersbedingte Wehwechen ist das Jahr gut auch am Rest der Familie vorbei gegangen. Es hat uns alle belastet, nicht so viel Zeit wie sonst miteinander verbringen zu können. Das wird auch erstmal so weiter gehen. Wir werden das alles durch stehen.

Ich habe einiges über mich gelernt.

Ich habe einige Dinge erlebt, die ich noch nie erlebt habe. Hier steht auch nur die Hälfte von dem, was im Jahr passiert sind, viele private Dinge bleiben dann privat.

Ich bin sehr dankbar für alle Erfahrungen in diesem Jahr. Für alle die Menschen, die es mit mir aushalten. Danke!

In diesem Sinne