Welchen HSV haben wir gesehen? Bundesliga Saison 2012/2013, Spieltag 23

Wie war’s?

Erschreckend. Ernüchternd. Mutmachend.

Erschreckend war die Leistung der Abwehr. 5 Gegentore, alle mehr oder minder selbst verschuldet. Unkonzentriert in der Raumaufteilung, viel zu spät bei den Flankengebern, zimperlich in den Zweikämpfen. Die Frage ist aber doch, ist das unsere normale Leistung oder war es eine Ausnahme?

Ernüchternd war die Offensive, wir haben zwar ständig den Ball gehabt, konnten aber zu wenig klare Chancen erspielen. Wir hatten 23 Torschüsse, von denen keiner rein ging. Das Tor war ein Elfmeter. War das eine Ausnahme oder ist es die Regel?

Mutmachend war die Einstellung der Mannschaft. Ich habe keine hängenden Schultern gesehen, es wurde weiter Fußball gespielt. Auch wenn es eine herbe Niederlage war, wir haben uns nicht abschlachten lassen. Das ist keine Ausnahme!

Welchen HSV haben wir also gesehen?

Thorsten Fink hat jetzt bereits 48 Saisonspiele als Trainer auf der Bank gesessen. Er hat den Kader weiter entwickeln können und die Chance gehabt die Mannschaft auf seine Spielidee, seine Taktik, sein System einstellen zu können.

Ich habe mir mal angesehen, ob der HSV sich weiter entwickelt hat. Dabei habe ich mir die Ausbeute aus jeweils 10 Spielen angeschaut:

S-Sieg, U-Unentschieden, N-Niederlage, Qte-Punktquote S+U/(S+U+N), Pkt-Punkte, PpS-Punkte pro Spiel, Sp-Spiele, T+-Tore, T–Gegentore, T+/Sp-Tore pro Spiel, T-/Sp-Gegentore pro Spiel

Ich sehe hier eine Entwicklung. Leider haben sie die Gegentore pro Spiel erhöht und zwar gewaltig.

Das ist die Sicht auf die Zahlen, die Frage, ob sich die Spieler entwickelt haben muß mit dem einhergehen finde ich. Wenn wir mehr Tore schießen, kann es nicht immer nur daran liegen, daß der Gegner einen schlechten Tag hatte. Es muß meiner Meinung nach also eine Entwicklung gegeben haben. Was fehlt ist das konstante Abrufen der Leistung.

Ein Beispiel: Wir brauchen im Schnitt 8 Torschüsse pro Spiel um ein Tor zu erzielen. Das ist ein recht guter Wert wie ich finde, schießen wir doch im Schnitt 13 mal pro Spiel aufs Tor. Dabei sind allerdings 8 Spiel gänzlich ohne Tor, die also in der o.a. Zahl nicht auftaucht. Die nächste Entwicklungsstufe muß also sein, die Effektivität vor dem Tor zu erhöhen.

In der Verteidigung will ich auch eine Entwicklung gesehen haben, die ich vor allem mit der Leistung von Michael Mancienne in Verbindung bringe. Westermann und er haben im Schnitt lediglich 1,31 Gegentore „verursacht“, die anderen IV dagegen 1,57.
Weiterhin haben wir ein sehr unerklärliches Problem in der Abwehr:
Wir haben 32 Gegentore in 23 Spielen gefangen, das macht 1,39 pro Spiel. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, da wir 7 mal zu null gespielt haben. Heißt also: 32 Gegentore in 16 Spielen: das macht also 2 pro Spiel in dem wir ein Gegentor gefangen haben.

Die Abwehr ist also immer noch nicht stabil genug, etwas, was Thorsten Fink weiter angehen muß und auch wird. Eine Entwicklung habe ich bisher gesehen, die letzten 7 Spiele seine Bilanz empfinde ich als Ausreißer. Als Merker hier für: in den letzten 7 Spielen hat Manciennen nur 2 mal gespielt.

Das waren jetzt viele Zahlen, wie sieht es mit der Entwicklung der Spieler aus? Das ist schwierig zu beurteilen. Fragen die woanders gestellt werden und ich mir auch stelle: Hätte Arslan auf der 6 gespielt, wenn Badelj, Jiracek und Rincón immer fit gewesen wären? Würde Skjelbred so viel Spielzeit erhalten, wenn die gleichen Spieler immer hätten spielen können? Warum ist van der Vaart nur an 9 Toren beteiligt, davon ein Sonntagsschuß und ein Elfmeter, also nur 7. Spielt der Trainer die falsche Taktik oder ist er taktisch nicht zu gebrauchen (einer meiner Gründe, warum ich den Transfer damals abgelehnt habe und noch immer tue)?

Welchen HSV haben wir gesehen? Ich glaube es ist einer, der sich immer noch findet und finden muß. Dem Trainer will ich keine Unfähigkeit vorwerfen, dafür war meiner Meinung nach sehr viel Positives zu sehen in den Spielen dieser Saison.

Wir brechen weiter um. Viel viel Geduld habe ich in der letzten Saison vom Umfeld gefordert, in dieser Saison verlange ich nur noch Geduld.

Zurück zum Spiel:

Tor

Gestern noch der Retter, heute der Loser. So schnell geht es in der Presse.
Wir streichen diesen Tag einfach und freuen uns auf seine guten Leistungen in den nächsten Spielen. Erinnert ihr euch an Drobny letzte Saison? Der hatte sogar 2 Streichspiele.

Abwehr

Ohweia. Mehr muß ich nicht schreiben oder?
Links hinten waren wir löchrig wie ein Schweizer Käse, es wurden einfach nicht die Flanken verhindert! Das muß bitte schnell dringend aufhören!

Mittelfeld

Bei Kontern wenig gut gestaffelt, ein Nachteil, wenn man nur mit einem 6er spielt, der auch noch nach vorne das Spiel gestalten soll. Skjelbred gefiel mir erneut sehr gut.

Sturm

Rudi rastlos, ohne Bälle und Son im Flippermodus: Kein Ball festmachen kann er sehr gut.

Taktik

Nun kommt eine kleine Abrechnung mit den taktischen Fähigkeiten des Trainers: Es war sehr richtig gleich am Anfang hohes Tempo zu gehen. Als aber dann klar war, daß wir so nicht gewinnen werden, hätten wir das Spiel in die Hand von Hannover legen sollen und uns selber durch Konter vor das Tor bringen sollen. Ich meine nicht nach dem 3:1, da war irgendwann alles egal, aber vorher hätten wir nach dem Punkt etwas mässiger spielen sollen. Zu oft liefen wir hinterher wenn die 96er zu Kontern ansetzten. Die können das, das sollte sich auch bis zum Trainerteam durchgesprochen haben.
Meiner Meinung nach hätte man auch tatktisch umstellen sollen, wir hätten eventuell früher einen Mann aus dem Mittelfeld auch in die Mitte als zweiten 6er aufstellen sollen, damit nicht gefühlt jeder Berfeiungsschlag in einer Torchance endet!

Einwechslungen

Beister kann ich verstehen, hätte hier aber aus o.g. Gründen erst Jiracek und dann Beister gebracht. Rincón sollte dann erst viel zu spät die Räume bei Kontern dich machen.

Spieler des Spiels:

Die Fans (also die ohne Pyro) waren wieder vorbildlich.

Pöbler des Spiels:

Humpf, einen beschimpfen ist dann fies bei so einem Spiel.

Was sagt die Statistik?


2Kämpfe gew-Zweikämpfe gewonnen; ges-Gesamt; %-Prozent gewonnen (Beim Torwart: Torschüsse geh-Torschüsse gehalten; ges-gesamt; %-Prozent gehalten), BK-Ballkontakte, TS-Torschüsse (Beim Torwart AF-abgefangene Flanken), Pässe a-Pässe angekommen; g-gespielt; %-Prozent angekommen, FL-Flanken, TSV-Torschussvorlagen, Tor-Tore, TVO-Torvorlagen, LF-Laufleistung in km, Sp-Sprints >-raus, < -rein, Min-Minuten, OF-Offensivfaktor; Quelle: bundesliga.de für die Offensiven Daten (TS, TSV, Tor; TVO) und sky.de für den Rest

Was ich gelesen habe?

Tim war schon wieder Auswärts und ihm fehlen die Worte.
Dem Brennerpass hätte auch ein 2:1 gereicht, so viel Zirkus wollte er dann nicht.

Leihspielercheck

Hier ein kurzer Blick auf die verliehenen Spieler.
Hakan Calhanoglu, KSC
83 Minuten, macht immer noch eine SPN 1.
Robert Tesche, Fortuna Düsseldorf
Durchgespielt, gehört zu den Säulen des Teams. SPN 1.
Paul Scharner, Wigan Athletic
Spielpraxis bekommt er, 90 Minuten gegen Reading auf dem Platz. SPN 1.

Was dachte der HSV sich hierbei?

van der Vaart for sale



In diesem Sinne: Nur der HSV!

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5 Responses to “Welchen HSV haben wir gesehen? Bundesliga Saison 2012/2013, Spieltag 23”

  1. YellowLed sagt:

    Zunächst mal zum Spiel: Die Klatsche war übermäßig hoch. Wir haben nicht sooo schlecht gespielt, zumindest nicht in Mittelfeld und Angriff. Zur Abwehr komme ich gleich noch, im Sturm fehlte ein wenig das Glück zur richtigen Zeit. Chancen waren durchaus da. Hinzu kam der wirklich komplett gebrauchte Tag bei Adler. Drauf gesch …, er hat uns genug Spiele im Alleingang gerettet.

    Es war nicht zum ersten Mal zu sehen, dass wir gegen Mannschaften, die schnell kontern und dann effizient verwerten, ganz schlecht aussehen. Das hat aus meiner Sicht mehrere Gründe:

    1. Du nennst die schlechte Staffelung im Mittelfeld; ich würde das fehlende Kompaktheit nennen, weiß aber nicht, ob ein zweiter 6er da wirklich ein Allheilmittel wäre, zumal es eben auch bedeutet, einen Offensiven zu opfern.
    2. Hast Du auch genannt: schwaches Zurückkommen, insbesondere bei Jansen und Rajkovic (so gut er mir sonst gefallen hat) zu beobachten.
    3. Die Außenbahnen (beide meines Erachtens) sind offen wie Scheunentore.

    Zumindest der erste und der letzte Punkt sind der Grund, warum die Innenverteidigung immer wieder schlecht aussieht. Ich will Westermann nicht besser reden, als er ist, und glaube auch nicht, dass es ausschließlich am verletzten Mancienne und der fehlenden Abstimmung mit Bruma oder Rajkovic liegt. Es entsteht durch das wenig kompakte Mittelfeld und die sehr offensiven Außenverteidiger zuviel Druck auf die Innenverteidiger, dadurch werden ihre Schwächen mehr exponiert als nötig. Im Grunde spielen wir nicht 4-4-2, sondern 2-1-4-1-2.

    Aber es war ja nicht nur die Defensive. Die vielzitierten „zweiten Bälle“ haben wir diesmal nicht so bekommen wie sonst, und auch das ist etwas, was schon die ganze Saison zu sehen ist: Wenn das bewährte Mittel nicht greift, weiß die Mannschaft keine Alternative. Das ist (hoffe ich) ein Entwicklungsprozeß, mit dem man noch etwas Geduld haben muss.

    Gleichzeitig, und das kommt mir hier bei all der Zahlenspielerei zu kurz, muss man auch mal den Hut vor Hannover ziehen, die keine 2 Tage nach einem Europapokalspiel gezeigt haben, dass dieses elendige Gejaule über die ungünstigen Ansetzungen in englischen Wochen Unfug ist. (Und hui, war da Leben in der Bude. Da sage noch mal einer, Hannover sei langweilig.)

  2. Max sagt:

    Die Niederlage von Hannover lässt mich immer noch ratlos zurück. Der HSV war für mich eigentlich lange die überlegene Mannschaft, aber vorne hat man die Bälle nicht halten können und hinten ging diesmal einfach alles schief. Wenn jetzt die Defensive stabilisiert wird, geht es schon Samstag wieder in eine andere Richtung.

    Interessanter Fact: In den 48 Spielen von Fink als HSV-Coach gab es noch nie ein Joker-Tor.

  3. DerTim sagt:

    Skjelbred und auch Badelj haben mir ebenfalls ganz gut gefallen, vor allem letzterer war wesentlich besser als in den anderen Spielen der Rückrunde.

    Wenn man bei 3:1 so offensiv nach vorne spielt wie wir es taten (und auch mussten) sind Kontertore vorprogrammiert, c’est la vie (oder c’est le football). Es weiß mit Sicherheit jeder, auch die Hannoveraner, der das gesamte Spiel gesehen hat, daß wir nicht so schlecht waren, wie es das Endergebnis uns glaubhaft machen will.

    Insgesamt habe ich nicht gesehen, daß das Team sich aufgegeben hat, auch nicht als es dann 4:1 stand; und das ist der ganz große Unterschied zur letzten Saison und macht auf Hoffnung, daß das ganze schnell mental abgehakt wird.

    ABER warum verdammt noch mal gibt es auf einmal diese Abstimmungsprobleme in der Abwehr, vor allem offenbar zwischen Westermann und seinem Nebenleuten ? Liegt das wirklich nur daran, daß Mancienne fehlt?

  4. nedfuller sagt:

    @yellowled
    Aber vielleicht täuscht diese „wir haben nicht sooo schlecht gespielt“ über fundamentaleres hinweg? Verstehe mich nicht falsch, ich finde auch, daß wir nicht 5:1 schlecht gespielt haben, aber es sind Dine, die sich regelmässig wiederholen. Wir bekommen einfach zu viele Torschüsse, die dann entweder von Adler hervorragend gehalten werden oder eben schlecht abgeschlossen daneben gehen.

    zu 1.
    Wie sollen wir sonst Kompaktheit bekommen? Ich würde in manchen Spielen einen 2. 6er gut finden. Nicht gegen Fürth, aber zum Beispiel gegen Hannover.
    zu 2.
    Jansen hat das Problem ja leider nicht zum ersten Mal. Was ich dann erwarte ist eine Absicherung, die aber nicht kommen kann, weil alle Mittelfeldspieler vorne sind. Also vielleicht ein 2. 6er?
    zu 3.
    Ja. Auch das kann man durch 1. lösen meine ich.

    Der Trainer ist da nicht flexibel genug denke ich.

    Die zweiten Bälle, stimmt. Jetzt wo du es schreibst, daß hat wirklich gefehlt.

    @Max
    Ivo hatte gegen Freiburg am 9. Spieltag als Joker ein Tor. Trainer damals: Rodolfo Cardoso (oder war es Arnesen)? Fink hat das wirklich noch nicht hin gebracht, finde ich erstaunlich.

    @DerTim
    Die Niederlage sah nicht nach Aufgeben aus, wenn auch das Ergebnis was anderes sagt.

    Ja, ich glaube Mancienne kann ein Faktor sein. Mit ihm lief es gefühlt konzentrierter ab. Keine Ahnung, vielleicht bin ich auch zu sehr Fanboy.

  5. YellowLed sagt:

    Aber Kompaktheit entsteht doch nicht durch mehr Spieler – Kompaktheit entsteht dadurch, dass man gut verschiebt, einrückt und und Spiel auf kontrollierbare Räume beschränkt. Das hat – soweit ich das beurteilen kann – auch, aber nicht nur, etwas mit dem Spiel ohne Ball zu tun, und daran krankt es bei uns schon lange. Auch das mag eine Entwicklung sein, die zumindest bei einigen Spielern noch aussteht.

    Für die Absicherung von Jansen wäre meines Erachten zuerst Aogo oder statt dessen der Defensive im Mittelfeld zuständig. Und so könnte man durchaus auch die Außenbahnen absichern, aber auch dafür braucht es (denke ich) nicht zwingend eine Doppelsechs. Beides entbindet aber Jansen nicht davon, seinen Arsch wieder nach hinten zu bewegen, und zwar pronto! Und genauso entbindet es ihn nicht davon, sich (ebenso wie Diekmeier) auch defensiv um seine Seite zu kümmern.