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Mit 11 Mann im eigenen Strafraum

Freitag, September 16th, 2011

… wird es bei mir nicht geben.

Das war eine Antwort vom Cheftrainer Michael Oenning am Mittwoch abend in der Raute an die Mitglieder des HSV.

Die Vorgeschichte
Wir brechen alles um, also auch das Verhältnis zwischen Trainer, Mannschaft, Vorstand und den Fans des HSV. Wir (das war ein Wort, welches an diesem Abend sehr oft gefallen ist) stehen zusammen, wir sind kommunikativ und wir sprechen miteinander. Nachdem wohl zuvor zwei Spieler sich den Fragen der Fans stellten – was komplett an mir vorbei gegangen ist – lud der Supporters Club des HSV den Trainer Michael Oenning und den Co-Trainer Frank „Fanny“ Heinemann, zu einem Treffen mit den Mitgliedern ein. Ich kann schlecht Menschenmengen schätzen, aber es mögen so 100 Mitglieder gewesen sein, die sich um 18:30h ins Volksparkstadion begeben hatten, um der Einladung zu folgen.

Die Fragerunde
Locker startete der Abend mit ein, zwei Fragen des Abteilungsleiters an Michael Oenning (wir erfuhren, daß Gojko Kacar sich die Nase im Training gebrochen hat – Gute Besserung! – daß Paolo Guerrero immer noch am Knie verletzt ist – man weiß noch nicht, ob es die alte Verletzung ist – und daß Heung Min Son wieder ins Training eingestiegen ist) und Fanny Heinemann. Beide wirkten entspannt und betonten, daß sie diese Begegnung wollten und sich gerne der Kritik und den Fragen der Fans stellen. Es fiel auch das Wort Familie, was ich sehr bezeichnend finde. MO (Michael Oenning) sprach sehr oft von wir, unser Verein, die Familie. Eine Rückmeldung zu seiner Arbeit ist ihm wichtig. Auch Fanny mußte nicht gefragt werden, er wollte mit dabei sein. Da weiß jemand also mit der Fanseele umzugehen. Beide sind Profis, ich weiß, aber ich habe es ihnen abgekauft. Aber zurück zum Thema: Die Vorbereitung auf das Spiel am Samstag läuft gut, die Mannschaft freut sich auf das Spiel, nimmt den Gegner ernst. Der Trainer sagt: „Wir sind jetzt mal dran und wir wollen auch!“

Danach berichtete Fanny (der nach eigenen Aussagen natürlich näher an der Mannschaft dran ist als der Cheftrainer, was auch so sein soll), daß die Mannschaft intakt ist. Er berichtet, daß ein erster Schritt gemacht worden sei (die Defensive war im letzten Spiel kompakter) und darauf aufgebaut wird. „Es bewegt sich was!“ ist sein Eindruck vom Team.

Ich bin kein Journalist und werde hier nicht die einzeln gestellten Fragen mit den jeweiligen Antworten wiedergeben können, sondern eine Zusammenfassung schreiben

Die Taktik gegen Mönchengladbach steht auch schon fest (MO betonte immer wieder, daß eine Systemdiskussion seiner Meinung nach obsolet ist, weil sich das System ständig an die Spielsituation anpassen wird), es wird gespielt wie in den letzten Spielen auch. Was wohl ein 4-2-3-1 bedeuten wird.

Die ersten 5 Saisonspiele wurden angesprochen, vor allem die Gegentore sollten erklärt werden. Dennis Diekmeier stand hier im Vordergrund und es wurde sowohl von MO als auch von Fanny die Fehler ansprochen. Es lag aus der Sicht des Trainers nicht nur an den „Fehlern“ von Diekmeier, daß Gegentore fielen, aber auch.

Und schon war der nedfuller an der Reihe eine Frage zu stellen (die erste aus dem Publikum *g*). Ich wollte wissen, wie diese Fehler mit dem Spieler besprochen werden. MO und Fanny erklärten mir, daß sie Fehler mit der Mannschaft, den Mannschaftsteilen, aber auch in Einzelgesprächen besprechen. Die Trainer wollen Defensiv denken, aber offensiv spielen. Im Training wird immer wieder das „Halten“ der 4er Kette geübt. Im Moment haben aber alle Mannschaftstiel kein Laufproblem, sondern es fehlt eher an der Erfahrung. [Dennis Diekmeier läuft halt gerne nach vorne und „vergißt“ dabei seine Defensivaufgabe. Die anderen Spieler müssen dann aushelfen, aber auch da fehlt es an Erfahrung. Gökhan Töre ist eben auch erst 19 Jahre alt].

Danach folgten viele Fragen zu einzelnen Spielern, vor allem Jaroslav Drobny stand bei den Fragestellern arg in der Kritik. Vor allem wollten einige wissen, warum Tom Mickel denn keine Chance erhält. Es folgte eine sehr gute und schlüssige Aussage von MO. Was hätte er denn tun sollen? Nach dem ersten Fehler Drobny raus nehmen? Was wäre denn passiert, wenn Mickel dann auch einen Fehler gemacht hätte? Es wäre uns dann gegangen wie Leverkusen: in den ersten beiden Pflichtspielen zwei junge Torhüter verbrennen und dann einen dritten Kaufen? Er will seine Nummer 1 schützen und vor allem auch seine Nummer 2. Drobny ist seiner Meinung nach ein guter Torwart, der das Vertrauen des Trainerstabes hat. Er übte Kritik an der Nachfolgeregelung von Frank Rost. Niemand hat sich vorher darüber Gedanken gemacht. Seiner Meinung nach war Wolfgang Hesl nicht so gut wie Mickel oder Drobny, daher wurde er abgegeben. Obwohl der Verein im vorher immer signalisiert hatte, daß er eine Zukunft beim HSV hat. Das hat er nun geändert. Warum Alternativen nicht rechtzeitig geholten worden sind (er nannte Leno, Trapp und Zieler, die alle zur auf dem Zettel standen) konnte er nicht beantworten, weil er zu dem Zeitpunkt nicht in der Verantwortung stand [Das war meiner Meinung nach, und nicht zum letzten Mal an diesem Abend, eine Kritik an Armin Veh und der sportlichen Führung vor seiner Zeit].
Im Moment ist Drobny seiner Meinung nach die personifizierte Krise, es ist eben sexy, den Torwart zu kritisieren. Man denke nur an das Testspiel gegen Luzern zurück, als die Medien Tom Mickel zwei Towartfehler andichteten, obwohl es keine waren. Dies bestätigte auch ein Fan, der beim Spiel dabei war. Leno hätten wir wohl gerne im Sommer verpflichtet, aber warum dies nicht geschehen ist, beantwortet MO nicht. Liegt aber auch nicht in seinem Verantwortungsbereich. Drobny ist seine Nummer eins und beide Trainer wollen ihn stärken. Ebenso wollen sie Mickel nicht verheizen.

Damit war dann auch die wichtigste Spielerkritik abgeschlossen, MO wollte sich nicht mehr darauf einlassen, weitere Spieler zu diskutieren (es wurde nach Tesche, Elia und Westermann gefragt). Alle Spieler geniessen sein Vertrauen und entwickeln sich im Training immer besser. Was soll er auch anderes dazu sagen?

Wie sehr sich einige Fans von der Berichterstattung in den Medien „beeinflussen“ lässt war in der Frage nach dem trainingsfreien Montag, warum an dem Tag keine Standards trainiert werden oder die Abstimmung zwischen den Ketten. Dafür erhielt der Fragesteller großen Applaus. Gekontert wurde er nach der Frage, wie er denn eine 7-Tage-Woche empfinden würde und die moderne Trainingslehre eben eine andere Ansicht dazu hat. Es kann nicht nur immer unter Volldampf trainiert werden, sondern die Regeneration ist immens wichtig. Es wird aktiv an Fehlern gearbeitet, die Standards wurden analyiert und werden im Training geübt.

Die Frage nach den späten Wechsel im Nordderby, die ja auch in meinen Kommentaren gestellt wurde, beantwortete MO damit, daß er die 4er Kette nicht sprengen wollten und Michael Mancienne ihm signalisiert hat, sich trotz seiner frühen gelben Karte im Griff zu haben und daß Gökhan Töre nach der Länderspielpause noch nicht 100%ig fit war. Das hätte ihm der Spieler selber bestätigt. Paolo und Mladen haben im Training die Woche vorher gut harmoniert, er wollte das nicht sprengen. Ebenfalls wurde kritisiert, daß die Mannschaft im letzten Spiel eine gute erste Halbzeit hingelegt hat und die zweite dann genau das Gegenteil war. Wie ein Kaninchen vor der Schlange sollen wir agiert haben.
Da wurde es das erste Mal etwas emotionaler. Nicht MO, sondern Fanny wurde emotional. Er beschrieb, wie der Trainer die Mannschaft vor der zweiten Halbzeit eingestimmt hat, daß die Chance zum Sieg gesucht werden sollte. Unter ihm und MO wird es ein: Wir stellen uns hinten rein und verwalten das nullnull nicht geben. Das Wort „Fatal“ fiel.

Ein Nachbar von Romeo Castelen fragte, wann er denn endlich spielen wird. Da wurde MO sehr fürsorglich. Romeo hat zwei Jahre keinen Profifußball gespielt. Er ist fit, aber noch nicht bereit in der ersten Mannschaft zu spielen. Wenn er es ist, dann wird er ihn aufstellen. Romeo soll auf keinen Fall auf den Platz geschickt werden und er ist noch nicht so weit. Es würde sonst das Ende der Karriere riskieren. Das möchte er auf keinen Fall.

Wichtig war vielen Fragestellern die Körpersprache der Spieler. Explizit wurde nach „Typen“ gefragt und ob wir davon genug im Kader haben. Darauf gab es die ehrliche Antwort, daß man davon nie genug haben kann. Aber der Kader ist nun aufgestellt und MO glaubt, daß wir genügend Spieler haben, die Typen werden können. Rausgehoben wurde Boban, der nach Meinung der Trainer mit 22 Jahren ein Typ ist und uns weiterhelfen wird. Dies Meinung teile ich uneingeschränkt.

Die Entwicklung der Mannschaft war immer wieder das Thema der Trainer. Wir sind _noch_ nicht so weit, wir brauchen noch Zeit. Das hörte man immer wieder. Warum ist das so? Die Vorbereitung wurde ohne Sturm bestritten: Paolo nicht da, Mladen und Markus in der Reha, nur Son stand zur Verfügung. Wie soll da schon in den ersten 5 Spielen ein Offensivfeuerwerk entfacht werden?

Erst nach ungefähr einer Stunde kam die Frage nach der Kapitänswahl. MO erklärte den Prozeß, die Mannschaft war dabei beteiligt, so etwas kann nicht von oben herab bestimmt werden. Am Ende standen 2-3 Spieler zur Wahl und es wurde sich wieder für Westermann entschieden.

Auch der Capo der ChosenFew war da. Jojo stellte eine sehr gute Frage: Was können wir alle zusammen tun?
Vor allem sollte jeder Fan, jeder Zuschauer, jeder im Stadion sich sein eigenes Bild machen. Wenn man erkennt, daß wir nicht alles geben, daß wir nicht Kämpfen, Laufen und Einsatz zeigen, dann soll auch gepfiffen werden. Das erzeugte einige heftige Reaktionen, weil sich doch viele einig waren, daß man die eigene Mannschaft nicht auspfeift. Vor allem braucht die junge Mannschaft Untertützung.

Und damit wir alle Themen aus den Medien abhaken können, kam auch die Frage nach den 5 Spielern von Chelsea. Allerdings nicht populistisch gestellt, sondern eher die Frage an den Trainer, ob diese Verpflichtungen auch seinen Wünschen entsprochen haben. MO zählte die Vorteile der Spieler auf, stellte klar, daß die meisten nicht zur sofortigen Verstärkung verpflichtet worden sind, sondern als Perspektivspieler (Töre, Sala). Es waren alles Schnäppchen (Michael Mancienne sollte wohl letztes Jahr noch 5 Mio. kosten, wir haben ihn für die Hälfte und weniger bekommen) und die Qualität ist unbestritten, da alles Nationalspieler sind. Einige zwar erst in den U Mannschaften, aber auch das ist ein Merkmal. Die Spieler werden uns weiterhelfen, brauchen aber Zeit.

Endlich war ich dann wieder an der Reihe eine Frage zu stellen. Ich wollte wissen, ob wir schon den HSV sehen, den Michael Oenning sich vorstellt und vor allem wie dieser aussieht (eine Abwandlung der Frage nach der Spielphilosophie des Trainers und wie er diese umsetzen kann. Die Frage von hertizworld meine ich).
Diese Frage war mir wichtig, weil ich immer noch nicht das Gefühl habe, daß der Trainer eine Philosophie hat. So richtig beantwortet wurde mir die Frage nicht. MO möchte lieber 5:4 gewinnen, als sich mit 11 Mann hinten rein stellen. Es wurde die kompakte Defensive angesproche, die Räume, die besetzt werden müssen, die Konter, die zu Ende gespielt werden müssen.

Ich glaube, daß kann man alles in einem modernen Trainerhandbuch nachlesen, ich habe da nur mitgenommen, daß wir keine destruktives Spiel wollen. Aber was verstehe ich schon vom Fußball…

Auch die darauf folgende Frage, wie wir denn Standards verteidigen (Raum- oder Manndeckung) wurde mit einer meiner Meinung nach allgemeinen Trainigslehre Antwort gekontert: Eine Mischung aus beiden und je nach Standard unterschiedlich. Auch da habe ich mir mehr erwartet.

Spannend war die letzte Frage: Sehnt der Trainer sich nach einem „echtem“ 10er oder haben wir diesen schon in unseren Reihen.
Die klare Antwort war ja und jein: MO hätte gerne Ilkay Gündogan verpflichtet, aber das war nicht drin. Im Moment haben wir keinen Spielmacher in der Profimannschaft, aber in der zweiten entwickelt sich gerade einer: Daniel Nagy. Sein Tor im Testspiel gegen Concordia Hamburg steht dafür stellvertretend. Allerdings ist Daniel erst 20 Jahre alt und er wird alles tun, um den Spieler langsam an den Profifußball heranzuführen. Es bringt nichts, Spieler zu verbrennen, zu überfordern. Diese Aussage macht mir Mut für die Zukunft, weil die Talente in der 2. Mannschaft ständig beobachtet werden und der Weg zur ersten Mannschaft nicht so verstellt scheint, wie in den letzten Jahren. So meint es jedenfalls der Trainer und auch der Co-Trainer mitzuteilen.

Fazit
Die Veranstaltung war aus meiner Sicht eine gute Idee. Klärt mich auf, aber ist sowas aus anderen Vereinen bekannt? Es soll wohl auch regelmässig fortgesetzt werden, hoffentlich mit wechselndnen Gästen.

Mein Eindruck zu MO: Er wirkt entspannt, ist sich seiner Lage bewußt, aber läßt es nicht an den Menschen Michael Oenning heran. Es fielen häufig die Worte Wir, Unser Verein und Familie. Ebenfalls sprach er von Entwicklung und Führsorgepflicht. Er wirkt selbstkritisch (eine seiner Aussagen war: Ich bin der Letzte, der sich nicht hinterfragt). Er hat Ahnung vom Fußball, kann mit Statistiken glänzen und erklären, warum er bestimmte Entscheidungen trifft. Er duzte uns alle, wie es sich unter Vereinsmitglieder gehört. Oder sprach da der Lehrer zu seinen Schülern?

Aber: Das alles kann jeder andere Trainer auch. Überzeugt hat er mich nicht in der letzten Konsequenz. Er ist ein Profi, das ist klar rüber gekommen. Mir fehlte vor allem zu meiner Frage eine greifbare Antwort. Wahrscheinlich wird man die auch nicht bekommen.

Aber2: Ich würde gerne in einer kleineren Runde mit ihm sprechen, um ihn besser zu verstehen, um raus zu finden, wie er Fußball sieht, wie er den HSV sieht und wie er seinem Fußball kommen will.

Ich bin kein Journalist. Ich habe oben versucht alles aufgeschriebene zu verbloggen. Es geht bestimmt besser und übersichtlicher, bitte seht mir nach, wenn das alles etwas konfus ist. Wer Rechtschreibfehler findet, kann diese gerne behalten.

Alles Reden hat aber am Samstag ein Ende. Gegen Gladbach zählt dann wieder die Leistung in den 90 Minuten. Ich glaube, daß der Trainer die Mannschaft richtig einstellen wird und wir als Sieger vom Platz gehen werden.

In diesem Sinne: Nur der HSV!