Morgen Heute steht das nächste schwere Auswärtsspiel an: Wir spielen gegen den VfB Stuttgart.
Ich will euch nicht mit Statistiken langweilen (nur kurz sei erwähnt: 44 Spiele, 11 Siege, 10 Unentschieden, 23 Niederlagen ist unsere Auswärtsbilanz gegen den VfB). Stattdessen habe ich mit heinzkamke ein Interview geführt. Seinen Blog kann ich euch sehr empfehlen, ihr findet diesen hier.
nedfuller: Eure Serie seit der Entlassung von Markus Babbel beeindruckt. Nur ein Unentschieden in Mainz ansonsten habt ihr alle Spiele gewonnen. Ist Christian Gross nun so ein guter Trainer?
heinzkamke: Christian Gross ist ein guter Trainer, das glaube ich ganz bestimmt. Die Wende nach dem Trainerwechsel mag zwar auch ein Stück weit dem „Neue Besen“-Effekt (von dem ich nicht weiß, ob er empirisch belegbar ist) geschuldet gewesen sein; inzwischen habe ich aber das Gefühl, dass er sehr genau weiß, was er tut und was er will, und das setzt er dann auch konsequent um. Bisher funktioniert es. Vielleicht noch ein konkreter Punkt, an dem er sich stark von Markus Babbel abhebt: Gross hat sich auf eine Stammelf festgelegt, der er den Rücken stärkt. Zwar gibt es gelegentlich die eine oder andere Veränderung (mal fängt Gebhart an, mal Hilbert), aber insgesamt sorgt er erst einmal für Kontinuität. Ehemalige Wackelkandidaten wie Pogrebnyak oder Marica zahlen ihm das mit Leistung zurück; für die aktuelle Nummer 12, Kuzmanovic, ist es indes bitter.
nedfuller dazu: Also hat Babbel den Fehler gemacht, keine Stammelf zu haben. Ich erinnere mich, daß ihm das auch von der Öffentlichkeit vorgeworfen wurde.
nedfuller: Hleb und Pogrebnyak, auch in Stuttgart scheut man nicht vor grossen Namen. Wie kommt ihr in Stuttgart mit den Topstars so zurecht?
heinzkamke: Pogrebnyak würde ich international nicht zu den ganz großen Namen zählen, verglichen mit van Nistelrooy, Zé Roberto oder van der Vaart. Hleb schon eher, aber da spielt die Historie natürlich eine große Rolle – er kann hier nicht ernsthaft als internationaler Topstar aus der großen weiten Fußballwelt auftreten, nachdem er einst als 19-jähriger bei den VfB-Amateuren begann. Wobei man natürlich durchaus den Standpunkt vertreten kann, dass er den Weg zurück in die Stuttgarter Fußballprovinz unterschätzt und zu wenig gearbeitet hat. Wenn man dann noch in einem Interview andeutet, hier ganz anders spielen zu müssen, weil die Mitspieler nicht die Klasse derer in London oder Barcelona haben, geht sowas halt auch einmal nach hinten los. Christian Gross und Horst Heldt werden sich in den nächsten Wochen sehr genau überlegen, ob sie sich bemühen, ihn über den Leihvertrag hinaus zu halten.
nedfuller: Stell dir vor, du bist der Trainer eures Gegners. Wie würdest du gegen euch Stuttgart spielen?
heinzkamke: In der Vorrunde war diese Frage recht einfach zu beantworten. Wer hinten einigermaßen massiert und gut organisiert stand, brauchte die VfB-Offensive nicht zu fürchten und konnte zudem guter Dinge sein, dass bereits wenige eigene Angriffe genügen würden, um möglicherweise spielentscheidende Fehler in der Stuttgarter Defensive zu provozieren.
Mittlerweile sieht das etwas anders aus. Zum einen ist das Angriffsspiel variabler, weil man sowohl über die Mitte als auch manchmal über außen gefährlich werden kann (und viele verschiedene Torschützen in seinen Reihen hat), zum anderen arbeitet der Abwehrverbund zuverlässiger. Speziell die Innenverteidiger wirken selbstbewusster, souveräner, was zumindest zum Teil auch an der kompakten „Doppelsechs“ liegen dürfte.
Als gegnerischer Trainer würde ich wohl für die Defensive viel Wert darauf legen, den Stuttgarter Spielaufbau (Khedira) früh zu unterbinden und den äußeren Mittelfeldspielern körperlich robust zu begegnen. Vorne würde ich meine Chance über die Außen suchen, wo Celozzi rechts noch zu viele Fehler macht und Molinaro links zwar vor allem nach vorne schon einiges versprochen hat, hinten aber auch schon für einige Böcke gut war. Beide Außenverteidiger haben zudem das Problem, dass die Unterstützung aus dem Mittelfeld (Gebhart, Hleb) nicht immer optimal ist.
nedfuller: Von aussen betrachtet ist bei euch in den letzten Jahren immer Achterbahn angesagt. Warum bekommt ihr keine kontinuierliche Arbeit hin?
heinzkamke: Um es mal überspitzt zu formulieren: das mit der Achterbahn ist doch ein populärer Mythos – zumindest wenn man betrachtet, was am Ende jeweils herauskommt: der VfB hat in den letzten 10 Jahren fünfmal im Uefa-Cup und dreimal in der Champions League gespielt, was meines Erachtens schon eine gewisse Konstanz zum Ausdruck bringt. Seit der WM 2006 ( ich weiß es zufällig, weil ich kürzlich in anderem Kontext ein paar Zahlen ausgegraben habe hat man hinter Bayern und Schalke die drittmeisten Punkte aller Vereine geholt und die Plätze 1, 6 und 3 belegt. Ich befürchte, die Frage nach der Konstanz muss sich der HSV eher stellen, oder?
Was allerdings unstrittig ist: auch wenn häufig am Ende ein achtbares Ergebnis steht, ist der VfB doch so etwas wie eine „Serien“-Mannschaft, die gelegentlich starken Schwankungen unterliegt. Paradebeispiel ist natürlich die in den letzten Jahren zur Tradition gewordene schwache Hinserie, die zumindest zweimal durch eine überragende Rückrunde gerettet wurde – und auch jetzt hat man sich ja durch die letzten 7 Spiele erst mal aus dem tiefsten Abstiegsstrudel befreit. Ich hätte natürlich nichts dagegen, wenn der Lauf anhielte…
nedfuller dazu: Serienmannschaft: Dafür beneide ich euch!
nedfuller: Jugendarbeit liegt mir am Herzen. Was können wir von Träsch, Ulreich, Celozzi, Tasci, Niedermeier, Gebhart, Khedira, Rudy und Schieber noch erwarten? Wie stehst du zu dem Konflikt: Erfolg, Titel gegen eigenen Nachwuchs fördern?
heinzkamke: Vorweg: ich bin sehr gerne Anhänger eines Vereins, der eine gute Jugendarbeit betreibt. Wobei man bei den genannten Namen ein wenig zurückrudern muss. Celozzi und Niedermeier kommen aus der Jugend des FC Bayern, Gebhart und Träsch von 1860. Dessen ungeachtet bin ich überzeugt, dass man vom Großteil der Genannten noch einiges erwarten darf. Über allen steht dabei Khedira, aber gerade in Sebastian Rudy (mein Faible ist vielleicht dem einen oder anderen aus 18mal18 bekannt) setze ich große Hoffnungen, und Gebhart ist natürlich auch ein Riesentalent, von dem ich hoffe, dass es in Christian Gross den richtigen Trainer zur richtigen Zeit bekommen hat.
Zum Konflikt Titel vs. Nachwuchsförderung: ich glaube, dass der VfB in den letzten Jahren gut daran getan hat, eigene Nachwuchsleute zu integrieren, zumal man bei dem Versuch, auch mal das etwas größere Rad zu drehen, den einen oder anderen Schuss vor den Bug bekam (Tomasson, Grønkjær, Bastürk). Natürlich will man als Fan Titel, was ja auch gelegentlich gelingt, aber man sollte das Prädikat „Nachwuchsförder“ keinesfalls aufs Spiel setzen. Mit der Kehrseite, dass man Ausnahmespieler wie Gomez oder irgendwann leider auch Khedira nicht halten kann.
nedfuller: Saisonziel damals und heute: Wie sah deine Erwartung vor der Saison aus und wie enttäuscht bist du von dem tatsächlichem Verlauf
heinzkamke: Vor der Saison hab ich gesagt: Platz 3-7 ist realistisch, 3-5 ist gut. Heute halte ich 5-16 noch für möglich, 6-11 für realistisch, und 6-8 für gut. 5 für überragend.
Natürlich bin ich enttäuscht, weil ich mir erhofft hatte, dass man nicht wieder so schwach starten würde, dass es möglich sei, trotz Trainerausbildung mit Babbel erfolgreich weiterarbeiten zu können, dass Hleb hier richtig Schwung holen würde für den dann unvermeidlichen nochmaligen Angriff auf Europas Spitze. Aber so macht die aktuelle Serie doch viel mehr Spaß…
heinzkamke hat es sich dann nicht nehmen lassen, mir ein paar Fragen zu stellen. Die findet ihr hier.
In diesem Sinne: Nur der HSV!