Sonnabend, Falke.
Im Moment etwas schwierig alles, aber das gehört alles dazu.
5:1 gewonnen, sportlich läuft alles richtig gut.
Zu Hause dann lecker gekocht, Baseball gespielt und Serien geguckt. Müde bin ich, die nächsten Wochen werden anstrengend.
Mit der Besten auf der Couch.
In diesem Sinne
Und hier dann die Reise in die Vergangenheit.
Tag 2, warm werden
Jetlag. Komisches Ding. Meinen letzten Urlaub in den USA habe ich den nicht kennen gelernt, heute Nacht war er dann da. Ab 2:30 Uhr Ortszeit war ich wach, obwohl ich vorher 26 Stunden auf den Beinen war. Also ein wenig im Internet stöbern und schauen, daß ich wieder müde werde.
Der Kopf rotiert auch nicht mehr zu schnell, ob das jetzt die Entfernung ist oder die Tabeletten, wer weiß. Mir egal, so ist es definitiv besser. Ich traue mich aber noch nicht, die Tabeletten abzusetzen.
Heute morgen bin ich mit Billy und Kennedy (die Haushündin) spazieren gegangen.
Bei 20 Grad und Sonnenschein bereue ich es jetzt, mich auf den Wetterbericht auf yr.no verlassen zu haben, die als Maximaltemperatur 14 Grad vorhergesagt haben. Ich habe keine kurze Hose eingepackt und schwitze mir daher hier einen Wolf.
Ich bin durch das Hippster Viertel von San Francisco gelaufen, mein Gastgeber meint, hier sind zwar die falschen Leute, aber es gibt den besten Kaffee. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Das Viertel war früher mal hauptsächlich mexikanisch geprägt, man bekam dort das frischeste Obst und viele Dinge recht günstig. Die Gentrifizierung des Viertels vertrieb aber die kleinen Händler und nur noch wenig ist von früher übrig geblieben. Der Charme geht langsam verloren. Ist hier also wie überall auf der Welt.
Trotzdem war der Kaffee super lecker.
Das Viertel gefiel mir dennoch, es hat was. Es sind alles kleinere, nicht so hohe Häuser und die Straßen sind recht eng. Klar, das Schachbrettmuster ist wie in so vielen Städten in Amerika vorhanden, aber einen gewissen Charme kann man erkennen.
Wie alle in Amerika ist es ziemlich weit hier. Der Hund braucht sein Auslauf und so waren wir fast eine Stunde stramm zu Fuß unterwegs. Herrje, ich habe geschwitzt…
Nach ein wenig Erholung ging es dann los, meinen Traum erfüllen: Den AT&T Park besuchen. Das gute an meinem Zimmer ist, daß gleich vor der Tür ein Bus zum Stadion fährt. 28 Minuten, 2 Dollar, perfekt.
Von hier oben kann man sogar Candlestick sehen.
Auf dem Weg geht es durch das „Project“. So werden hier die Gebiete beschrieben, in denen Sozialwohnungen stehen. Es sind kleine Häuser, vornehmlich von Afro-Amerikanern bewohnt. Und ganz ehrlich, die RAP Videos lügen nicht, es gab exakt die gleichen Bilder. Es wird natürlich übertrieben, aber es kam mir vieles sehr bekannt vor. Fehlte noch die Musik dazu (Mir schwirren gerade Beats von Dr. Dre oder Ice Cube durch den Kopf)…
An der Haltestelle 2nd & Townsend hieß es aussteigen und um die Ecke gehen und… Ich kann nicht beschreiben, wie sich das angefühlt hat. Seit 1993 bin ich Giants Fan, habe noch den alten Ballpark im TV gesehen und als sie 2000 umgezogen sind war mir klar: Da muß ich hin. Ich glaube es war 2013 als der Ballpark von den Fans zum zweitbesten (nach Fenway Park) in den Staaten gewählt worden ist. Er liegt aber auch fantastisch, man muß aufpassen, nicht die ganze Zeit in die Bucht zu schauen, sondern sich auf das Spiel zu konzentrieren. Wurde mir erzählt, ich war ja noch nicht drin.
Um die Ecke also der Ballpark. Ich hatte Gänsehaut und wenn ich zu Emotionen fähig wäre, hätte ich geweint. Aber die Schmerztablette (mein Rücken!) und die Antidepressiva (Mein Kopf!) unterdrücken doch schon einiges.
Ich kann hier nicht alle Fotos reinstellen, aber ich bin einmal um den Park gegangen und habe alles fotografiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.
Und natürlich habe ich ein Foto von mir und Willy „The Say Hey Kid“ Mays gemacht.
Barry Bonds habe ich auf dem Giants Walk of Fame allerdings nicht finden könne, nur den Spieler mit dem geilsten Namen überhaupt.
Dieser Weg um das Stadium herum… Es war so toll. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Emotional, bewegend, erfürchtig. Ich glaube man kann es nur so beschreiben: Wenn man das erste Mal sich selber seinen Traum erfüllt, dann wirkt das sehr tief.
Und dann kam der Kapitalist in mir durch. Der Dugout Store der Giants lag genau auf meinem Weg… Und ja, ich bin Junkie, ich kaufe all den Scheiß, den die Giants jedes Jahr rauswerfen. Trikot, Cap(s), T-Shirts, ich hatte alles! 500 Dollar habe ich in dem Laden gelassen und ich werde alle gekauften Teile in Ehren halten. Ich kann das nicht erklären, aber es war so wie im Paradies für mich.
Richtig unwirklich wurde es aber, als ich vom NBC Team angesprochen wurde, ob ich nicht ein Interview geben möchte. Stellt euch mal einen kleinen 8 jährigen Schuljungen vor, der das erste Mal sein Geschenk bekommt, daß er sich so lange gewünscht hat. So stand ich im Laden. Und dann sprach mich das NBC Team an und ich war natürlich bereit vor der Kamera zu sprechen.
Das Ergebnis findet ihr hier: Klick
Und das schlimme ist, ich war nicht in der Lage, es zu Twittern. Ich bin da im Moment total raus, aus Gründen, wie man so sagt, aber es fiel mir verdammt schwer, das nicht rauszuposaunen!!!
Naja, ihr lest es ja jetzt. Und seht es.
Ich wollte danach eigentlich nach Hause, also in mein Zimmer in Potrero Hills. Das blöde war nur: Ich habe die Bushaltestelle nicht gefunden, die mich direkt vor die Haustür fährt. Ich bin ernsthaft mehrere Blocks rumgelaufen nur um dann irgendwann zu entscheiden, daß ich doch noch ein wenig weiter laufen muß. Was dann folgte war ein Spaziergang (denkt euch bitte die Anführungszeichen, denn es war ein langer Weg!) vom AT&T Park zur Fishermans Wharf.
Und da machte es Klick bei mir. Ich sah die Bay Bridge und die Schiffe, das Wasser.. Ich habe mich sofort in die Stadt verliebt.
Der Weg vom AT&T Park bis zur Fischermens Wharf ist sehr lang. Da hat man viel Zeit zu schauen und zu fotografieren und vor allem um nachzudenken. Ich bin ja alleine in den Urlaub gefahren, auch um Abstand zu gewinnen und nachzudenken. Ich gehe sehr oft und gerne gerade nach verlorenen Fußballspielen an die Elbe um zu weinen. Um den Schmerz los zu werden. Das geht in San Francisco genauso gut. Da ist Wasser, da ist ein Hafen, da ist alles, was man braucht. Und ich bin die langen Wege gegangen, habe jede Möglichkeit genutzt um das Wasser zu sehen, mich einen Augenblick zu sammeln. Es hat ernsthaft nicht geholfen. Der tiefe Schmerz ist immer noch da. Ich kann ihn im Moment nicht spüren, da helfen all die Tabletten, aber er ist noch da. Kennt ihr das Gefühl, wenn man weinen möchte, weinen muß, aber es geht nicht? Ich weiß nicht, was es war, ob die Tabletten meine Emotionen unterdrükt haben, oder ich einfach nicht mehr in der Lage war sie zu empfinden.
Nunja, ich bin Tourist in San Francisco. Also bin ich bis Fishermens Wharf weiter gelaufen. Habe unendlich viele Fotos gemacht, den Blick auf das Wasser genossen, mir Gedanken gemacht, warum die alten Gebäude heute lediglich für öffentliche Parkhäuser genutzt werden, den Obdachlosen, der schlafend in der Sonne lag beobachtet, Skater bei ihren Tricks zugeschaut und mich über all die Jogger gewundert, die um die Touristen herum ihren Lauf absolviert haben. Am Ferry Terminal habe ich einfach mal eine halbe Stunde zugeschaut, wie die Leute an Bord gegangen sind.
Dennoch war mein Kopf niemals frei. Zu viele Fragen sind nicht beantwortet (nicht, daß ich auch nur eine Antwort tatsächlich wissen will!). Ich habe mir lange überlegt, warum ich keine Flugangst mehr hatte. Waren es tatsächlich nur die Tabletten? Ich weiß es nicht, und will es in Wahrheit gar nicht wissen. Die Gedanken, die sich um dieses Thema bei mir im Kopf ergeben, möchte ich tatsächlich gar nicht niederschreiben.
Meine Oma war vor mehr als 40 Jahren in San Francisco und sagte, ich muß unbedingt die Fishermens Wharf besuchen. Herrje, was ist das für eine Touristenfalle!!! Da ist so wenig San Francisco drin, erbärmlich. Dennnoch bin ich dort gewesen. Als es dann am Ende (hinten links, da kann man echt hin gehen) hieß, daß es eine Sportsbar gibt, bin ich meinem Trieb gefolgt: Bier und Sport im TV!
Und: ich habe es bekommen!
Links lief das Spiel Rangers @ RedSox und links das Finale Four. Dazu gab es leckeres lokales Bier (Anchor, kann ich nur empfehlen!) und ein leckeres Abendessen (Black Snapper mit Spargel und Jasmin Reis). Wie es sich gehört habe ich allen in meiner Nähe erklärt, daß Niels Giffey (unglaublich tolles Spiel von ihm!) ein Deutscher ist. Meine Tischnachbarn aus New York wollten das nicht glauben, zumal ich sogar leichte Ahnung vo dem Spiel hatte, aber so kommt man eben ins Gespräch. 5 Bier später hingen sie an meinem Lippen :-)
Der Vorteil an der Westküste der USA ist ja, daß alles am späten Nachmittag statt findet. Man kann sich also um 18 Uhr in die Sportsbar setzen und genüßlich viele Bier trinken, weil es alle tun. Herrlich.
Erst nach dem Besuch der Sportsbar habe ich die Seelöwen entdeckt.
Immer wieder kommt mir die Textzeile von Ice Cube (it was a good day) in den Kopf: Drunk as hell, but no throwing up… Es waren schon arg viele Biere am Tag. Aber es hilft um das Emotionslevel auf Sparflamme zu lassen.
Als ich wieder „zu Hause“ war, habe ich mich lange mit Billy unterhalten. Das lustige ist ja, daß die Reaktion auf das was in den letzten Monaten passiert ist, immer gleich ist. Die Zuhörer sind schockiert, fragen nach, warum ich nicht so konsequent bin und den Kontakt komplett abbreche. Und dann stehe ich immer da, als was auch immer, und erkläre, daß es mir so schwer fällt, genau das zu tun. Weil in meinem Herzen immer so viel Platz ist. Ein Fehler, ja. Aber eben meiner. Nunja. Es wird eine Zeit geben… Sagt man so.